Wie lernen in Zeiten des Wechselunterrichts eigentlich unsere Schüler_innen der ABC-Klasse (Basisklasse) sowie unserer beiden beiden IVK (Internationalen Vorbereitungsklassen) der Jahrgänge 5/6 und 7/8?
Die Kinder und Jugendlichen dieser drei Lerngruppen leben noch nicht sehr lange in Deutschland. Sie konzentrieren sich deshalb darauf, in Hamburg und in unserem Schulsystem Fuß zu fassen. Gerade in Nicht-Corona-Zeiten gelingt die Integration in die Schulgemeinschaft mühelos und freundlich. Natürlich strengen sich die ABC- und IVK-Schüler_innen besonders an, Deutsch zu üben, d. h. die Sprache mündlich und schriftlich zu verstehen und anzuwenden. Während die IVK-Schüler_innen bereits alphabetisiert sind und darauf basierend ihre Deutschkenntnisse aufbauen, beginnen die ABC-Kinder mit ganz grundlegenden Kompetenzen, z. B. der Beherrschung der deutschen Laute und Schriftsprache.
Wie dies unter den geltenden Beschränkungen gelingen kann, berichten Frau Stracke, Herr Hanßen und Frau Kathary, die Klassenlehrer_innen unserer internationalen Klassen:
Von Johanna Stracke:
In der ABC-Klasse 5-7 lernen die Schüler_innen seit einem Jahr noch eine ganze Reihe anderer Wörter als sonst: „Corona“, „Abstand“, „Maske“. Seit die Kinder Mitte März in den Präsenzunterricht zurückgekehrt sind, integrieren wir diese Worte weiter in unsere Abläufe: Mit einem fröhlichen „Tschüss Corona!“ desinfizieren sich die Kinder ihre Hände vor dem Betreten des Klassenraums und öffnen mit dem gleichen Ausruf alle 20 Minuten Fenster und Tür. „Abstand!“ rufen nun auch viele, wenn zwei Worte an der Tafel zu nahe beieinander stehen und „Abstand“ nennen sie auch die Leertaste auf der Tastatur in der wöchentlichen Computerstunde.
Statt wie sonst Laufdiktate und Gruppenarbeiten im Klassenraum zu üben und die Schüler_innen so auf die Sozialformen in den IV- und Regelklassen vorzubereiten, malen wir die ersten gelernten Buchstaben und Silben mit Kreide auf den Schulhof und lassen sie ablaufen – eine willkommene Frischluft-Pause. Auch die sechs Fußballtore nutzen wir derzeit anders, da wir ja nicht Fußball spielen dürfen: Die Kinder laufen sie nacheinander ab und konjugieren die im Klassenraum gelernten Verben: Auf die Plätze, fertig, los! Erstes Tor: „Ich renne!“, zweites Tor: „Du rennst!“ und so weiter. Als wir noch das Pausenareal mit dem Klettergerüst zugeteilt bekommen hatten, wurden die Verben erklettert.
Es fällt uns nicht leicht, dass wir meist die Gesichter der anderen nicht sehen können. Aber wir finden neue Wege der Kommunikation, mit Augen, Händen, Füßen. Und die Aussprache muss auch ganz besonders deutlich sein, damit sie durch die Maske verstanden wird.
Auf den Fußballplätzen bilden wir zu Beginn und Ende einen großen Kreis mit reichlich Abstand. Dann heißt es „Masken ab!“ und wir alle staunen und schauen umher. Die Kinder und die Lehrerin beginnen zu lächeln, zu kichern, zu lachen – so seht ihr also alle aus!
Von Christian Hanßen:
Seit dem Ende der Frühjahrsferien sind die Schüler_innen der IVK 5/6 im permanenten Präsenzunterricht. Die Freude am „ersten“ Schultag nach dem Lockdown war bei allen sehr groß, endlich wieder die Schulfreunde treffen und dem Unterricht in der Klasse folgen zu dürfen. Allerdings sind nicht alle Schüler_innen wieder zurückgekehrt. Sechs von ihnen haben ihre einjährige Schulzeit in der IVK erfolgreich abgeschlossen und konnten nun in eine Regelklasse wechseln. So war zu Beginn auch etwas Wehmut in der Klasse zu spüren. Auf der anderen Seite waren die Schüler_innen neugierig, eine neue Mitschülerin, die mitten im Lockdown in die IVK gewechselt war, noch genauer kennenzulernen.
Aktuell sind in der IVK 5/6 elf Schüler_innen, deswegen können wir in unserem großen Klassenraum auch auf Wechselunterricht verzichten. Auf dem Stundenplan stehen Deutsch, Mathe, Englisch, Gesellschaft und Kunst. Zusätzlich nutzen wir mindestens zwei Stunden in der Woche den Laptopwagen, um mit Lernprogrammen oder Office zu arbeiten. So bekommen die Schüler_innen gleich zu Beginn ihrer Schullaufbahn in Deutschland digitale Kompetenzen vermittelt.
Der Sportunterricht erfolgt derzeit bei sonnigem Wetter auf dem Sportplatz direkt neben dem Schulgebäude. Die Einhaltung der Coronaregeln hat natürlich auch hier oberste Priorität.
Bis zum Ende des Schuljahres steht noch ein gemeinsames Lernprojekt an. Wir lesen im Fach Deutsch das Buch „Die Olchis im Zoo“ von Erhard Dietl. Fächerübergreifend sollen die Schüler_innen beispielsweise in Kunst Olchis basteln oder sich in PGW mit dem Thema „Müll“ auseinandersetzen. Hoffentlich können wir am Projektende einen Ausflug in den Tierpark machen, wenn es dann endlich heißt „Tschüss Corona!“.
Von Susanne Kathary:
Das Grinsen könnte breiter nicht sein. Man sieht es den Schüler_innen der IVK 7/8 sogar unter der Maske an. „Endlich wieder Schule!“ Nur ein Jahr haben sie Zeit, Freundschaften zu schließen, Schule in Deutschland kennenzulernen und Deutsch zu pauken, bevor sie in die Regelklasse übergehen. Auch Sport, Englisch, Mathe und PGW stehen auf dem Stundenplan. Nur ein Jahr und dann muss alles sitzen.
Dieses Jahr war anders. Statt „die Tafel“, „klingeln“ und „der Fegedienst“ lernten wir „das Internet“, „klicken“ und „die Videokonferenz“. Neue Wörter. Und für viele auch neue Handlungen. Wir nutzten den Präsenzunterricht, um den bevorstehenden Lockdown vorzubereiten. Viele hatten Spaß am neuen Fach „Computerunterricht“. Dann wurde die Schule geschlossen. Die ersten Anrufe: „Wie war jetzt nochmal mein Passwort?“ Dann im Chat: „Ich habe die Aufgabe nicht verstanden. Können Sie sie noch einmal erklären?“ Und nach zwei Tagen: „Wann haben wir endlich wieder Schule?“ Es war die einzige Frage, die immer wiederkehrte. Mindestens einmal pro Woche. Wochenlang.
Erst jetzt ist auch diese Frage geklärt. Jetzt sitzen wir wieder hier. Wir grinsen uns an, während sich zwei Schüler_innen freiwillig für den Fegedienst melden. Danach klären wir den Unterschied zwischen „Ich gehe in die Schule.“ und „Ich bin in der Schule.“ Akkusativ und Dativ.
Wir lernen wieder vor Ort. In der Schule. Und am besten funktioniert das eben doch mit anderen zusammen.
Zehn Minuten später sieht man uns auf dem Schulhof. Natürlich mit Maske. Und mit Abstand. Und heute auch mit einem Ball in der Hand. Eine von uns legt ihn unter den Basketballkorb: „Ich lege den Ball unter den Basketballkorb.“ Alle schauen wir wie gebannt auf den Ball. Lange haben wir nicht mehr damit gespielt. Fragende Augen. „Und jetzt?“ Ein Schüler meldet sich: „Der Ball liegt unter dem Basketballkorb.“ Emotionslos nimmt er den Ball in die Hand.
Ballspiele sind nicht erlaubt in diesen Zeiten. Brav bringen wir den Ball wieder zurück in den Klassenraum und der Fegedienst nimmt seinen Dienst auf.
Am Nachmittag schreibt eine Schülerin im Chat: „Wann haben wir endlich wieder Sport?“
Es fehlt immer noch etwas. Aber wenigstens können wir uns wieder sehen. Viel gemeinsame Zeit bleibt uns schließlich nicht mehr.