„Ehrlich sein und Gutes tun“

„Ehrlich sein – vor allem zu sich selbst – und Gutes tun: Damit wirst du zu dir selbst finden, und jede Veränderung beginnt bei dir selbst.“ Diese Überzeugung des ehemaligen Obdachlosen, nun Bestseller-Autors und Bundesverdienstkreuzträgers Dominik Bloh durchzog seine Lesung für Dörpsweg-Schüler:innen der Jahrgänge 8-10.

Bei seiner „Lesung“ kam Bloh allerdings fast ganz ohne Lesen aus, vielmehr schilderte er sehr lebendig und schülernah Erlebtes und zog daraus Schlüsse, die er seinem Publikum mit auf den Weg gab.

Das wurde gleich schon zu Beginn deutlich, als die gut gefüllte Aula mucksmäuschenstill erst einmal eine Weile warten musste, bis Bloh sich vorne in aller Ruhe sortiert hatte. Dies verband er mit einem ersten Appell: „Schafft euch eure Komfortzone, lasst euch nicht einengen.“ Mit der dann folgenden Ausführung gewann er die Jugendlichen im Handumdrehen: „Handys sind erlaubt, macht Storys, ich muss bei Tiktok und Instragram auf meine Follower-Zahlen kommen.“ Zwar seien die Handys „unsere größte Sucht“, weswegen er eigentlich nur warnen könne, aber, so Bloh grinsend, seine Vorstellung sei nun einmal „nicer Content“.

Das findet auch das Publikum, das gebannt den weiteren Ausführungen folgt. Sehr persönlich spricht Bloh von seiner Familiengeschichte, seinem Stiefvater etwa, dessen Gewalttätigkeit und toxische Beziehung zur Mutter Bloh zu der Erkenntnis geführt habe, dass „wir Männer unser Selbstverständnis überdenken müssen: Reflektiert Rollenbilder“, sagt er an die Jungen gewandt, „und findet heraus, was für junge Männer ihr sein wollt.“ Er erzählt von seiner Mutter, die, alleinerziehend, an ihrer Arbeit in der Pflege krank geworden sei: Depressionen, Burnout, Schizophrenie. „Sie hatte sich entschieden, anderen zu helfen“, formuliert Bloh es dann um, „und wurde von den Arbeitsbedingungen in die Krankheit getrieben.“ So krank sei sie geworden, dass sie die Erziehungsaufgabe nicht mehr geschafft, „ihr Mutter-Sein gekündigt“ habe: „Ich bin zu Hause rausgeflogen und auf der Straße gelandet.“ Dort habe er mit zwei Koffern erst einmal im Regen gesessen, später ins Kinderheim gefunden, das, so berichtet er sarkastisch, direkt neben dem „Jugendknast“ stehe – „da konnte man die schwierigen Kinder nach einem halben Jahr einfach auf die andere Seite der Mauer schicken.“

In dieser Zeit habe ihm die Schule das Gefühl vermittelt, noch irgendwie dazuzugehören, auch wenn er nach der Schule oft einfach in der Bahn durch die Gegend gefahren sei oder am Hauptbahnhof abgehangen habe: „Endstation Elend“, in das Bloh schließlich immer weiter hineingeraten sei, bis hin zur Kriminalität.
Dennoch schaffte er sein Abitur, „von der Straße aus“. Wer ihn für diese „Leistung“ lobe, sitze allerdings einem neoliberalen Irrtum auf: Es gehe nicht darum, nur hart genug zu arbeiten, denn dieses Narrativ blende zu Unrecht diejenigen aus, die es nicht schaffen könnten. Er selbst habe nach der Schule, jener temporären Zuflucht in eine Scheinnormalität, gemerkt, wie „scheißegal“ er den meisten in Wahrheit gewesen sei. „Denkt über Freundschaft nach“, appelliert Bloh an die Jugendlichen, „damit könnt ihr nicht früh genug anfangen.“

Wichtig sei es zu schauen, ob man sich in seiner Umgebung wirklich wohlfühlen und man selbst sein könne. „Die richtigen Menschen im Leben zu haben, ist der größte Schatz“, sagt Bloh, selbst inzwischen Vater einer kleinen Tochter. Mit der im Arm sei er seinem Stiefvater inzwischen wieder einmal über den Weg gelaufen, beantwortet er eine Schülerfrage, und er habe es geschafft, ruhig zu bleiben. „Die Straße hat mich zu dem gemacht, was ich bin, und ich weiß inzwischen, wer ich bin.“

Eine Reihe weiterer Fragen beantwortet er, etwa nach seinem Musikgeschmack – Hip Hop. „Ich bin der größte Rapper nach Bones“, so Bloh grinsend. „Der wird euch auch nichts anderes erzählen als ich“, weiß er aufgrund seiner persönlichen Bekanntschaft mit dem Erfolgsrapper. Mit den von Bones zur Schau getragenen Statussymbolen nutze der das bestehende System geschickt aus, in Wahrheit zählten jedoch auch für Bones Familie, Freundschaft und „Nicht-Abheben“ als die wahren Werte.

Immer wieder betont Bloh, dass die Jugendlichen „die Zukunft“ seien. „Verschafft euch Gehör!“, fordert er sie auf, „Fridays for Future“ hätten mehr geschafft als viele Jahre Umweltpolitik, „werdet ein Teil davon!“ Als ein zentrales Anliegen bezeichnet es Bloh schließlich auch, die Demokratie gerade angesichts zunehmend erstarkender Autokraten zu verteidigen. Demokratie sei nun einmal der beste Weg, um die sozialen Verhältnisse zu verbessern, und Veränderung beginne schließlich bei jedem Einzelnen.

Mehrere der anwesenden Klassen hatten Blohs Buch „Palmen aus Stahl“ im Deutschunterricht gelesen. Die Schüler:innen zeigten in ihren Fragen und in der Art des Zuhörens, wie ernst sie Bloh nahmen und wie dicht er an sie herankam. „Ich fand es toll, ihn so persönlich kennenzulernen“, sagt etwa Matteo (9b), bestätigt von Mark und Dalia, die es als „richtig interessant“ bezeichnen, „solche Einblicke“ in Blohs Sicht zu erhalten. Sander (8a) findet es „super, wie er mit uns kommuniziert und auf einer Linie ist“. Seine Klasse hatte, unterstützt von Frau Neumann, im Anschluss an die Lektüre der Autobiographie eine Theaterinszenierung entwickelt, die Stationen aus dem Leben Blohs eindrucksvoll auf die Bühne brachte – mehr dazu finden Sie hier.